Ist das alles, was wir drauf haben?

Perspektiven der Veränderung

Ist das alles, was wir drauf haben?

Ich bin eine große Bewunderin des menschlichen Gehirns und seines Potenzials. Es ist faszinierend, wohin wir uns entwickelt haben und welche Möglichkeiten, Ideen und Lösungen unsere Intelligenz und Kreativität schon hervorgebracht haben. Das menschliche Potenzial ist beeindruckend und scheint nahezu unbegrenzt. Wir können nur erahnen, was noch alles möglich sein wird. Doch da kommen wir auch schon zum Punkt.

Wenn ich mir die Welt anschaue und ihren derzeitigen Zustand, drängende Probleme, die eigentlich keinen Aufschub mehr dulden, aber auch unser tägliches Zusammenleben im Großen und Kleinen, frage ich mich: wie kann es sein, dass wir überwiegend immer wieder dieselben Ergebnisse produzieren? Wie kann es sein, dass die wirklich wichtigen Probleme so wenig zur Kenntnis genommen werden? Wie kann es sein, dass innovative Lösungsansätze so unglaublich schwer Gehör finden?

Hier kommt uns eine andere Eigenart des Gehirns in die Quere: wir denken gern in gewohnten Bahnen, weil das Energie spart. Wenn wir auf unser Leben blicken, operieren wir doch überwiegend im automatisierten Bereich der Routine, der Gewohnheiten. Wer schon mal versucht hat, diese zu ändern, weiß, wie hartnäckig sie sind. Schließlich funktionieren sie und das Gehirn liebt die Sicherheit und das Bewährte, solange es keine echte Alternative sieht. Der zweite wichtige Grund ist, dass wir nicht so ohne weiteres in der Lage sind, aus dem gewohnten Denkrahmen herauszutreten. Bestimmte Dinge sind für uns tatsächlich nicht denkbar und vor allem nicht erfahrbar, weil wir schlicht nicht darauf kommen. Weil das außerhalb unserer Realität liegt und all den Prinzipien und Annahmen widerspricht, die wir für wahr halten. So bestätigen wir uns mit den immer gleichen Informationen, dass DAS die allgemeingültige Realität ist. Das tun wir für uns selbst und auch auf gesellschaftlicher Ebene. Es erfordert eine bewusste Anstrengung, sich dorthin zu begeben, wo etwas wirklich Neues stattfinden kann. Weil es uns herausfordert und uns unserer Gewissheiten beraubt, an denen wir so sehr hängen und unser Bewusstsein tatsächlich erweitert.

Etwas echt Neues erfordert also Energieaufwand, ist vielleicht anstrengend, erschöpfend, unangenehm. Dazu bräuchten wir zunächst eine Idee oder auch nur eine Ahnung davon, dass etwas anderes, schöneres, lohnenswerteres möglich sein könnte. Dann erfordert es die Bereitschaft, gewohnte Überzeugungen, wie die Welt und wir selbst sind, in Frage zu stellen und etwas zu erleben, dass man vielleicht vorher noch nie erlebt hat. Eine neue Perspektive kann unser Leben unglaublich bereichern und Dinge für uns real machen, an die wir nicht zu glauben gewagt hätten. Aber auch insbesondere in Bezug auf die großen Fragen wäre sie dringend nötig: wie können wir unsere sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme lösen?

Und deswegen, mal ganz ehrlich: Ist das alles, was wir drauf haben? Ist es wirklich unser Ernst, immer komplizierte Verfahren zu entwickeln, wie wir Arm und Reich in unserer Gesellschaft unter Kontrolle halten können, anstatt daran zu tüfteln, wie alle Menschen eine freie und sichere Existenz genießen können? Ist es wirklich unser Ernst, unsere Kreativität darauf zu verwenden, wie wir unsere Staaten möglichst gut abschotten können gegen die, die weniger haben als wir? Anstatt unsere gesamte Intelligenz dafür einzusetzen, echte Lösungen für die Ursachen zu finden? Ist es unser Ernst, noch effizientere Fabriken zur Massentierhaltung auszuklügeln und noch effektivere Gifte auf die Felder zu bringen, anstatt zu überlegen, wie wir die Menschen würdevoll ernähren können? Ist es unser Ernst, Plastiktüten teurer zu machen, anstatt sie einfach zu verbieten? Oder die Erlöse aus teurerem Plastik konsequent dafür zu investieren, mit neuen Materialien zu experimentieren und die Produzenten für die Entsorgung in die Verantwortung zu nehmen?

Das Dumme ist, dass wir immer versuchen, Probleme mit den gewohnten Strategien zu lösen, sowohl individuell als auch gesellschaftlich. Wir brauchen aber ganz neue, clevere Lösungsansätze, wenn wir grundsätzlich andere Dinge bewirken wollen.

Doch das Großartige an den Menschen ist ja, das es solche Leute immer gibt. Immer gibt es Menschen, die sich nicht zufrieden geben mit dem, was alle für normal halten, die bereit sind, einen Schritt weiterzugehen, das scheinbar Unmögliche in Betracht ziehen, einfach anfangen. Die ahnen, dass das noch nicht die Antwort sein kann und sich trauen, einer Vision folgen. Viele tun das in ihrem eigenen Leben, in ihren Beziehungen und ihrem Beruf. Andere tun sich zusammen und haben dafür gesorgt, dass unsere Welt in vielen Bereichen sehr viel besser geworden ist - und sie werden dafür sorgen, dass es weitergeht. Sie alle haben unsere volle Unterstützung und unsere Wertschätzung verdient, ein Applaus für jeden und jede, die aufsteht. Und wer weiß, vielleicht entscheiden sich ja mehr und mehr Menschen dafür, einer von ihnen zu werden.